Laute, zum Teil aggressive, als „Spaziergang“ getarnte Demonstrationen von Menschen, die sich gegen alle Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft in der Corona-Pandemie stellen, sind gerade in allen Teilen der Bundesrepublik zu beobachten. Auch Dessau stellt hier leider keine Ausnahme dar. So laut diese Proteste auch sind, die schweigende Mehrheit der Menschen teilt die dort vertretenen Meinungen nicht.
Diesen Menschen hat das Netzwerk „GELEBTE DEMOKRATIE“ am 31.1. mit einer Kundgebung unter dem Motto „Gemeinsam & solidarisch durch die Pandemie“ Stimme und Gesicht gegeben.
Das Team um Daniel Kutsche und Ralf Zaizek, die Organisatoren der Veranstaltung, hat sich dabei ganz bewusst für einen Kundgebungstermin entschieden, der parallel zum sogenannten „Montagsspaziergang“ stattfand.
Daniel Kutsche begründet diese Entscheidung damit, dass es auch ein Ziel der Kundgebung sei, den Teilnehmenden an den Spaziergängen aufzuzeigen, dass man sich nicht einschüchtern lasse. „Die von diesen Spaziergängen zum Teil ausgestrahlte Wut und Aggression darf zivilgesellschaftliches Engagement nicht behindern. Durch die von uns organisierte Kundgebung wollten wir den verantwortungsbewussten Menschen die Möglichkeit geben, durch gemeinsames Handeln geschützt, unmittelbar auf die Spaziergänge zu reagieren. So haben wir ein deutliches Signal ausgesendet, dass wir uns nicht einschüchtern lassen.“.
Sein Mitorganisator Ralf Zaizek ergänzt dazu noch, dass dieses Signal angesichts des vor Kurzem auf einem der Spaziergänge angestelltem Gedankenspiels, einen der nächsten Spaziergänge vor dem Dessauer Klinikum durchzuführen, sehr wichtig sei. „Wir machen es heute, weil es notwendig ist!“, stellt er klar.
130 Menschen folgen dem Aufruf und zeigen Gesicht
Nicht zuletzt deshalb haben sich auf dem Dessauer Schlossplatz dann auch 130 Menschen versammelt, die während der Pandemie eigentlich größere Menschenansammlungen aus Verantwortungsbewusstsein meiden.
Unter Einhaltung der Mindestabstände haben Sie, unterstützt von vielen Redner*innen aus Gesellschaft, Kultur und Politik, kreativ und friedlich untermauert, dass eine Meinungsäußerung nicht aggressiv und bedrohlich erfolgen muss.
Redebeiträge betonen Notwendigkeit von Sachlichkeit und gegenseitigem Respekt
Der erste Redebeitrag des Abends wurde von Stefan Gebhardt (Landesvorsitzender DIE LINKE Sachsen-Anhalt) gehalten. Er stellte fest, dass das von der Kundgebung ausgehende Signal „gegen Hass und für Solidarität“ gerade jetzt sehr wichtig sei. Das Klinikmitarbeitende und Menschen, die sich an die geltenden Regelungen hielten, öffentlich angepöbelt und bedroht werden, sei keinesfalls normal. „Die, die uns durch die Pandemie begleiten, leisten unglaubliches. Sie verdienen unsere Anerkennung“, schließt Gebhardt seinen Redebeitrag ab.
Die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Barbara Steiner, sprach sich in ihrem Beitrag ganz bewusst dafür aus, das Gespräch untereinander aufrecht zu erhalten und gleichzeitig wachsam gegenüber demokratiefeindlichen Bestrebungen zu bleiben. Auf persönliche Ängste müsse ihrer Ansicht nach mit Verständnis und vielen Gesprächen reagiert werden. Wo allerdings Ängste bewusst geschürt, politisch instrumentalisiert und mit Verschwörungsnarrativen befeuert werden, sei unser demokratisches Gemeinwesen in Gefahr. “Dann ist der Moment erreicht, wo eine Grenze gesetzt werden muss!“, betont Steiner. Für die Stiftung Bauhaus gelte, dass Menschenverachtung keinen Platz in der Stiftung habe.
Auch Johannes Weigand, Generalintendant des Anhaltischen Theaters, betont die Wichtigkeit des Gesprächs und der gegenseitigen Solidarität. „Wir waren über ein Jahr nicht arbeitsfähig, mit Masken und Abstand geht Theater kaum, im Homeoffice schon gar nicht.“, stellt er fest. Auch deshalb sei mit Verfügbarkeit einer Impfung für die Mehrheit seiner Mitarbeitenden die Impfung selbstverständlich gewesen. Zu den Menschen in seinem Haus, die einer Impfung skeptisch gegenüberstünden, werde aber auch immer wieder das Gespräch gesucht, um „Überzeugungsarbeit zu leisten“. Auch für das Anhaltische Theater sei aber eine Grenze überschritten, wenn die Würde des Menschen angegriffen und das demokratische Gemeinwesen verächtlich gemacht werde.
Deutliche Worte in Richtung der Querdenkenbewegung fand die Landesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen. Madeleine Linke stellte fest, dass viele der Querdenker*innen Freiheit einforderten, gleichzeitig aber die Diktatur herbeireden würden. „Es wird dazu aufgerufen, Kinder als Schutzschild zu den Spaziergängen mitzubringen.“. Die Teilnahme von Nazis und rechtsoffenen Menschen an den Spaziergängen werde toleriert, mindestens aber ausgeblendet. Gleichzeitig erlebe sie zum Teil ein „Versagen von Politik, des Innenministeriums und der Polizei“, weil Gegenkundgebungen zu den „Spaziergängen“ nur unzureichend geschützt würden und rechtliche Erfordernisse, zum Beispiel die Anmeldepflicht für Demonstrationen, bei den „Spaziergängen“ nicht immer durchgesetzt würden.
Die Kreisoberpfarrerin des evangelischen Kirchenkreises Dessau, Annegret Friedrich-Berenbruch, betonte in ihrem Redebeitrag nochmals, dass Akzeptanz, Toleranz und Achtsamkeit gerade heute besonders wichtig seien. Panik hingegen sei ein schlechter Ratgeber. Vernunft und Humor hingegen seien ein guter Weg, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. „Wir müssen die stärken, die krank werden und den anderen beistehen und Hilfe gewähren“, schließt sie ihren Beitrag ab.
Würdevolles Gedenken an die Opfer der Pandemie
Das Netzwerk „Gelebte Demokratie“ hatte im Vorfeld der Kundgebung dazu aufgerufen, den Opfern der Pandemie durch das Aufstellen einer Kerze zu gedenken.
Nach einer kurzen Unterbrechung, der „Montagsspaziergang“ zog lautstark am Schlossplatz vorbei und machte ein würdevolles Gedenken unmöglich, wurden deshalb mehrere Kerzen entzündet und im Andenken an die vielen Pandemieopfer abgestellt.
Zum Ende der Kundgebung bedankt sich Ralf Zaizek bei allen Teilnehmenden der Kundgebung für ihre Unterstützung. Er weist gleichzeitig darauf hin, dass bereits am 7. März erneut ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft nötig sei. An diesem Tag werde der Bombardierung Dessaus 1945 gedacht. „Ein Tag, den extrem rechte Gruppierungen regelmäßig Versuchen zu instrumentalisieren.“, so Zaizek. Das Netzwerk „GELEBTE DEMOKRATIE“ organisiert deshalb mehrere Gedenkveranstaltungen, zu denen er herzlich einlade.
Alle Informationen zu den Gedenkveranstaltungen finden Sie auf der Internetseite des Netzwerks unter https://gelebtedemokratie.de.